Seit Montag habe ich einen neuen Job. Ich bin Lehrerin. Neben meinen Rollen als Ehefrau, Mama, Tochter, Schwester, Freundin, Köchin, Putzfrau, Buchhalterin für meinen Mann, Taxiunternehmen für Kinder usw. und meiner Arbeit als Übersetzerin und der Mitarbeit im Social Media Bereich bei ipi „unterrichte“ ich nun auch meine Kinder. Ein neuer „Hut“, hat meine Freundin Edith gesagt. Sie redet immer von Hüten, die wir aufsetzen, je nachdem, in welche Rolle wir schlüpfen. Fast ein bisschen so wie im wirklichen Theater 😊.
Heute hat sie mich am Telefon gefragt, welchen Hut ich gerade aufhabe und da ist mir spontan „Lehrerin“ rausgerutscht. Sie hat gelacht und gemeint: „Stimmt, das bist du jetzt auch!“ Jedenfalls ist seit letztem Montag, dem ersten Tag, an dem die Kids von der Schule und dem Kindergarten daheimbleiben mussten, mein Respekt vor und meine Wertschätzung für den Lehrerberuf um ein Tausendfaches gestiegen. Er war schon immer sehr groß, weil ich es faszinierend finde, wie man aus einer Horde wilder Kinder, die am Morgen in der Schule ankommen – jedes mit ganz anderen Bedürfnissen und Geschichten im sogenannten „persönlichen Rucksack“, den quasi jeder von uns trägt – ganz schnell eine Gruppe braver und interessierter Schüler machen kann. Leicht ist das nicht und jedem, den das gelingt, war bisher schon meine hundertprozentige Bewunderung sicher. Mittlerweile meine tausendprozentige!
Denn: Es ist schon richtig schwierig, mit „nur“ zwei Schulpflichtigen und einem Kindergartenkind, also zusammen drei Kindern zwischen sechs und 12 Jahren, einen Lernvormittag zu gestalten. Es ist diese erste Woche daheim in der Home-School, wie wir scherzhaft sagen, einmal besser, und dann wieder nicht ganz so gut gegangen. Aber rückblickend kann ich sagen, dass es Großteils geklappt hat mit dem, was ich mir vorgenommen habe.
Ali, mein Ältester, hat eine Menge Aufgaben von der Schule mitbekommen und ist schon sehr selbständig beim Lernen. Gottseidank! Ihn muss ich dann nur ab und zu etwas erklären – und noch lieber erklärt er mir mit einem sehr herablassenden Ton vermeintlich Neues, das ich nicht mehr so genau weiß aus meiner Schulzeit 😊.
Wenn er mit dem Ausfüllen der Zettel und seinen Aufgaben fertig ist, dann frage ich das Gelerntes ab, wobei ich immer staunen muss, wie schnell er sich auch neues Wissen merken kann.
Yusef, mein bald zehnjähriger Sohn, braucht noch meine ganze Aufmerksamkeit – er genießt es auch, wenn Mama – sprich die aktuelle Frau Lehrerin – stundenlang daneben sitzt und mit ihm lernt. Und manchmal testet er natürlich auch, wie lange es dauert, bis mein Geduldsfaden reißt. Er braucht jedenfalls auch kürzere Lerneinheiten und dann immer wieder eine Pause dazwischen. Da kommt ihm das Lernen daheim sogar entgegen, weil er hier in seinem eigenen Lerntempo lernen kann. Am besten funktioniert es, wenn wir vorab einen „Stundenplan“ ausfüllen mit den Dingen, die er an dem Tag erledigen muss.
Und Yana ist gerade dabei, die ersten Buchstaben zu lernen – dazu gibt es ein ABC-Heft, das wir aus dem Internet ausgedruckt haben und in dem sie die ersten Buchstaben des Alphabets bunt anmalen kann. Außerdem habe ich ihr den „Fleißaufgaben-Wochenplan für Kindergartenkinder“ unter www.kigaportal.com zu finden, ausgedruckt. Da gibt es Spiele, Übungen und auch einen Stundenplan für die Mithilfe bei Arbeiten im Haus. Wenn sie beispielsweise das Bettenmachen in ihrem Zimmer erledigt hat, darf sie das in ihrem Aufgabenplan abhaken. Echt ein super Angebot.
Zum Glück ist ja auch mein Mann aus dem Libanon zurück und kann mich jetzt unterstützen bzw. dann nach dem Lernen mit den Kindern draußen spazieren gehen – zu viert dürfen sie das ja. Und sie schauen natürlich auch, dass sie anderen Spaziergängern nicht zu nahe kommen.
Sonst waren sie im Garten – auch hier sind wir am Land in der glücklichen Lage, dass wir raus können aus den vier Wänden und uns im eigenen Garten bewegen können. Menschen, die in Stadtwohnungen leben, so wie meine Eltern und Geschwister in Deutschland, haben es hier nicht so gut und ich höre auch, dass es dort ein Stück weit schwieriger ist, das Zusammenleben auf engstem Raum und ohne Möglichkeiten, nach draußen zu gehen. Auch ein wenig Radfahren dem Bach entlang war diese Woche schon möglich, weil das Wetter ja gut war und die Kinder das lieben, wenn Papa mit ihnen auf den Drahtesel steigt. Und am Abend, nach dem gemeinsamen Abendessen gibt es dann immer noch eine Geschichte. Jetzt mit dem Zauberstab, den die Kinder mit Ediths Bastelkiste gebastelt haben. Nach dem Hokuspokus wird gelesen, und obwohl sie jetzt etwas später aufstehen und auch keine Schule ist, fallen den drein der Reihe nach die Augen zu und wenn nicht, dann dürfen sie auch vor dem Einschlafen noch eine Hör-CD anhören oder lesen.
Die ständig neuen Corona-News, die zwischen all dem, was wir tun, ständig auf uns einprasseln, waren teilweise schon beunruhigend und wir machen uns auch Sorgen, so wie es derzeit alle tun. Andererseits finde ich es gut, wenn halbwegs sachlich und ausführlich informiert wird, da das auch ein Gefühl der Sicherheit gibt. Auch hier haben wir es in Europa vielleicht besser, als Menschen, die in anderen Teilen der Welt in totalitären Regimen leben. Den Kindern versuchen wir, ihre Fragen zu beantworten, aber auch keine unnötige Hysterie zu verbreiten. Das bringt uns allen nichts, und schließlich sind wir ja auch Vorbilder für unsere Kindern und müssen ihnen Sicherheit und Vertrauen vermitteln. Auch Vertrauen in das System und vor allem in die Menschen hier, dass wir zusammen diese Krise meistern können und wir als Gesellschaft daraus gestärkt hervorgehen.
Ich jedenfalls habe bereits und werde sicher in den kommenden Wochen und vielleicht Monaten noch mehr übers Lehrersein lernen und wenn ich mal anstehe, dann habe ich genügend Möglichkeiten, mir Rat und Hilfe zu holen – das ist ja auch das Feine, dass man heute über Smartphone, Tablet und PC mit allen kommunizieren kann, ohne dass man sich treffen muss. Edith und ich trinken regelmäßig einen Espresso zusammen – sie in ihrem Büro, ich in meiner Wohnung – verbunden durch WhatsApp-Telefonie 😊. Und dann sind da noch meine verstreut lebende Familie, zu der ich den Großteil des Jahres ja sowieso nur Telefon- oder Mailkontakt habe – also hier hat sich ja gar nichts verändert. Oder ich kann auch eine meiner Freundinnen anrufen, die jetzt fast alle in der selben Situation mit Schule zu Hause usw. sind – wir tauschen uns aus und können so auch ein bisschen Stress und Frust abbauen oder auch einmal gemeinsam jammern oder lachen. Und dann sind da auch noch Lese-Oma und Lese-Opa, die zwar nur ein paar hundert Meter von uns entfernt wohnen, die wir jetzt aber leider nicht besuchen dürfen. Und da hilft telefonieren auch: Ali ruft sie regelmäßig an und Yana schickt der Lese-Oma Bilder von den Dingen, die sie bastelt und schickt per WhatsApp Sprachnachrichten und die Oma schickt dafür neue Bastelanleitungen, die sie aus der Tageszeitung fotografiert. So kommen neue Ideen für die Wochenendbeschäftigung ins Haus.
Wir werden jetzt regelmäßig Infos und Tipps rund ums Lernen, Erziehung und Bildung in diesen Blog stellen und freuen uns auch über Rückmeldung und eure Erfahrungen zu den jeweiligen Themen bzw. beantworten wir auch gerne Fragen unter www.ipi.co.at oder seinabalawieh@hotmail.de