Wir können nicht nicht kommunizieren! – Oder wie war das?

Wir können nicht nicht kommunizieren“! Dieser Satz des international anerkannten österreichischen Kommunikatisonswissenschaftlers, Psychotherapeuten und Philosophen Paul Watzlawik ist mir, wie Millionen von Kindern meiner Generation zum ersten Mal in der Hauptschule begegnet. Er hat mich damals etwas belustig, aber auch neugierig gemacht, was denn damit gemeint sein kann. Seither hat mich das Interesse an Kommunikation und Sprache nicht mehr los gelassen.

Es folgten im Deutschunterricht des Gymnasiums die Bekanntschaft mit dem 4-Ohren-Modell des deutschen Kommunikationswissenschaftlers und Psychologen Friedemann Schultz von Thuns (Kommunikationsquadrat und die vier Seiten einer Nachricht), das freudsche Eisbergmodell, das Watzlawik auf das Kommunikationsmodell angewandt hat. Dann das Riemann-Thomann-Modell des deutsch-schweizer Psychologen-Duos Fritz Riemann und Christoph Thomann (Die vier Grundausrichtungen Nähe/Distanz, Dauer/Wechsel). Das Sender-Empfänger-Modell der Mathematiker Claude Shannon und Warren Weaver. Die Transaktionsanalyse des amerikanische Psychologen Eric Berne und während des Studiums unzählige philosophische Konzepte zum Verhalten des Menschen und Erklärungsversuche, warum wir uns manchmal trotz guter Ausbildung und gemeinsamer Sprache nicht verstehen.

Durch Vereinfachung Komplexität erklären.

Sehr schnell war klar: das sind alles Modelle, die entweder aufeinander aufbauen oder verschiedenen Zugänge nutzen, um die Komplexität der Kommunikation erklärbar und durchschaubar zu machen. Manchmal sehr vereinfacht, was ihnen heute auch immer wieder einmal Kritik einträgt. Im Grundverständnis von schematisch vereinfacht darstellbarer Kommunikation haben sie ihre Bedeutung aber nicht verloren.

Also bin ich gut gewappnet mit theoretischen Konzepten in den Berufsalltag gestartet und konnte vieles in unterschiedlichen beruflichen Kontexten über mehr als dreißig Jahre überprüfen, anwenden, ausprobieren und weiterentwickeln oder auch verwerfen. Vor ein paar Jahren bin ich dann – wieder einmal auf der Suche wie wir das, was wir denken und fühlen in Worte fassen und so sagen können, dass die Botschaft auch tatsächlich beim Gegenüber ankommt – bei der Embodied Communication gelandet.

Vergessen Sie alles, was Sie bisher gehört haben! – Wirklich?

Bei einer Veranstaltung in Wien hörte ich vor ein paar Jahren, dass das alles, was wir einmal zum Thema Kommunikation gelernt haben, nicht mehr gelten soll. Denn jetzt hat man (gemeint waren: Vertreterinnen und Vertreter der Neurowissenschaften, Psychologie, Sprachwissenschaften, Kommunikationswissenschaften,…) herausgefunden, wie Kommunikation wirklich funktioniert: „Vergessen Sie alles, was Sie bisher gehört haben, denn jetzt wissen wir nachweislich, dass Körper, Psyche und soziales Umfeld in permanenter Interaktion miteinander stehen und sich gegenseitig beeinflussen!“ Dieser Satz stand während der Tagung im Raum und hat mich auch anschließend nach Hause begleitet.

Ich war irritiert und habe tagelang nicht herausgefunden, was das tatsächliche revolutionär Neue an den Erkenntnissen der Embodied Communication (EC), wie unsere Kommunikation funktioniert, sein soll. Also habe ich mich wieder vertieft in die angeblich „alten, nicht mehr gültigen“ Modelle. Habe eine Embodiment-Ausbildung absolviert und im Zuge der Diplom-Arbeit ausführlich recherchiert, was man unter Embodied Communication (EC) versteht und was das angeblich „Neue“ daran sein kann.

Eine systemische Weiterentwicklung bekannter Ansätze.

Bei  einer gelungenen Kommunikation ging es immer und geht es auch heute nicht um das Dechiffrieren von Botschaften. Es geht vielmehr darum, Synchronie herzustellen. Das heißt: es geht um die Synchronisation. Je stärker der Grad der Synchronisation ist, umso besser verstehen wir uns. Das hat Paul Watzlawik bereits in seinen theoretischen Ausführungen immer wieder betont. So besagt eines seiner fünf pragmatischen Axiome, dass zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe entweder symmetrisch oder komplementär sind, je nachdem, ob die Beziehungen zwischen den Partnern auf Gleichheit oder Unterschiedlichkeit basieren. Der Beziehungsaspekt bestimme immer den Inhaltsaspekt. Er bezog in seine Betrachtungen sowohl den erweiterten Kontext einer Situation als auch die Beziehungen zwischen den Beteiligten mit ein. 

Embodied Communication (EC)

Die EC geht in der Weiterentwicklung dieser Erkenntnis davon aus, dass es keine im Voraus bestehende Botschaft in der Kommunikation gibt. Diese wird vielmehr permanent in der Interaktion hergestellt. Dabei ist Kommunikation ein offenes System, in dem es auch keine Kommunikationsrichtung gibt. Auch im Sender-Empfänger-Modell, das ja lediglich ein sehr vereinfachtes Schema zur Erklärung von Kommunikation ist, wird dem nicht ausdrücklich widersprochen. Um zu veranschaulichen, wie Kommunikation entsteht, wird hier der Weg einer Botschaft vom Sender zum Empfänger dargestellt und daraus kann abgeleitet, was dabei alles schief gehen kann. Ob die Botschaft schon vorher da ist oder am Weg bzw. in der Interaktion erst als „scheinbare“ Wirklichkeit entsteht, wird dabei nicht untersucht.

Ebenso wenig die Annahme der EC, dass zwar die Gestaltung der Kontextbedingungen beeinflussbar ist, im Grunde die Kommunikation aber nicht kontrollierbar ist. Insofern ist der systemische und prozessorientierte Blick auf Kommunikationsabläufe eine Weiterentwicklung aller bisherigen Erkenntnisse zum Thema Kommunikation. Hier würde ich den eingangs zitierten Satz etwas abändern. Und zwar geht es nicht darum, alles zu vergessen, was wir bisher gelernt haben, sondern dieses Wissen für neue, komplexere und an den aktuellen Wissens- und Forschungsstand zur Kommunikation angepasste Aussagen zu nutzen. Es geht darum, dieses alte Wissen neu zu verknüpfen und weiter zu entwickeln. Wer sich intensiver mit den neuen Erkenntnissen und Trends auseinander setzen will, dem seien die Bücher von Maja Storch und Wolfgang Tschacher empfohlen (zum Beispiel: Storch/Taschner (2016) Embodied Communication – Kommunikation beginnt im Körper, nicht im Kopf).

Der Mensch ist ein soziales Wesen!

Seit es philosophische Auseinandersetzungen mit dem Menschsein gibt, also schon mehrere Jahrtausende, wissen wir aus unterschiedlichsten Perspektiven und Betrachtungen, dass Menschen, die miteinander in Interaktion treten, soziale Wesen sind. Sie organisieren sich als „soziales System“ selbst und sind gleichzeitig immer Teil in komplexen, sozialen Systemen, in denen sie aufgrund ihrer Herkunft eingebettet sind. Daraus hat sich Sprache entwickelt, die wir für Kommunikation brauchen. Aber diese Sprache wird erst durch den Körper vollständig, ohne Körper ist Sprache nicht vorstellbar. Daraus erschließt sich nicht erst heute: Kommunikation ist eine Aktivität des gesamten Körpers. Das war schon immer so. Die verschiedensten Erklärungsmodelle und Beschreibungen sind immer im Kontext der jeweiligen Zeit und des jeweiligen Forschungsstandes zu verstehen. Aus dieser Perspektive betrachtet also eine kontinuierliche Weiterentwicklung, die alte Erkenntnisse nutzt und mit neuen bereichert und verbindet.

Embodiment-Ansätze beeinflussen die aktuelle Forschung.

Die Einbeziehung des Körpers und die Verbindung von Körper, Geist und sozialem Umfeld findet zunehmend in unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen Eingang. Vor allem die Sozialpsychologie und klinische Psychologie entwickelt die Embodiment-Ansätze weiter, um Wechselwirkungen zwischen Körper, Psyche und sozialem Umfeld in Forschung und Therapie einzubauen. Heute wissen wir, dass sich psychische Zustände im Körper ausdrücken, ohne dass wir Wörter dazu verwenden. Nonverbale Kommunikation zeigt sich in Gestik, Mimik aber auch Körperhaltung. Umgekehrt können wir damit auch psychische Zustände beeinflussen.

Einfache Übungen, die in der Feldforschung immer wieder für Versuchsreihen herangezogen werden, zeigen, wie der Körper und Bewegungen unser Denken beeinflussen. So macht es tatsächlich einen Unterschied, ob die Arme in ihrer Beuge- oder Streckmuskulatur vor einem Versuch trainiert werden. Einmal geht’s um Annäherung (Beugemuskulatur: zum Beispiel, wenn man eine Person oder einen Gegenstand an sich presst), einmal um Ablehnung (Streckmuskulatur, wenn man zum Beispiel eine Person, einen Gegenstand wegdrückt). Geübt/trainiert kann das werden, indem man die Handflächen auf eine Tischoberfläche drückt bzw. den Tisch mit den Handflächen unter der Tischoberfläche anzuheben versucht. Alles, was anschließend von Versuchspersonen abgefragt wird (z. B. Bewertung fremdländischer Schriftzeichen), wird von den Probanden wesentlich positiver bewertet, die vorab die Beugemuskulatur entsprechend trainiert haben.

So lassen sich Verhaltensweisen durch gezieltes Embodiment beeinflussen und auch verändern. Storch und Taschner raten dazu in ihrem Embodiment-Buch „Kommunikation beginnt im Körper, nicht im Kopf“ (siehe Literatur-Tipps) Verkaufsstrategen, bei Verkaufsapparaten eher Ziehschalter als Druckknöpfe zu verwenden. Das kann man bei Gelegenheit in der Praxis überprüfen!

Unsere Körperhaltung beeinflusst auch Haltung und Beziehung zu anderen!

Dass unsere Körperhaltung unsere Aussagen, Emotionen und unsere Wirkung auf andere beeinflusst, ist hinlänglich bekannt. Zum Test ein kleiner Selbstversuch: Stellen oder setzen Sie sich frei beweglich in den Raum. Lassen Sie sich von der Haltung her zusammenfallen. Wer möchte, kann auch die Beine übereinander schlagen. Dazu das Zwerchfell anspannen und den Bauch leicht einziehen, die Schultern hochziehen, die Stirn runzeln und die Zähne leicht aufeinander beißen. In dieser Position einen Moment verharren. Versuchen Sie, sich in dieser Position gut zu fühlen, optimistisch und energiegeladen, kreativ und fröhlich. Wenn Sie jetzt lachen müssen, sind sie in guter Gesellschaft eines Großteils der Übenden. Denn sich in dieser Körperhaltung gut zu fühlen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Die Stimmung „passt“ schlicht und ergreifend nicht zur Körperhaltung und kann deshalb nur schwer erzeugt werden.

Und zur Kontrolle machen wir den Gegenversuch: Stellen oder setzen Sie sich frei beweglich in den Raum. Stellen Sie die Beine bequem breit ab, die Füße unter den Knien nach vorne gerichtet. Richten Sie sich angenehm zu voller Größe auf. Lockern Sie die Schultern, halten sie sie in einer angenehmen Spannung zu Hals und Kopf gerade und atmen Sie einige Male tief in den Bauch. Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen. Dann zaubern Sie sich noch ein Lächeln ins Gesicht. Nun versuchen Sie, in dieser Haltung, sich ganz schlecht und deprimiert zu fühlen. Fühlen Sie sich frustriert und ausgelaugt. Geht nicht? Richtig! Ein Großteil der Übenden schafft es nicht, in dieser Haltung nachhaltig negative Stimmung zu erzeugen.

Literatur-Tipps

Embodiment in Theorie und Praxis

Im ipi-Shop finden Sie zwei PDF-Unterlagen, die zum einen angehenden Coaches, Therapeuten, Pädagogen Anhaltspunkte geben können, inwiefern Embodiment auch mit dem Bohmschen Dialog in Beziehung steht und eine Theorie- und Praxis-Unterlage für das Selbststudium siehe: https://www.ipi.co.at/ipi-shop/buch-koerpercoach-und-bohmschen-dialog/ und https://www.ipi.co.at/ipi-shop/buch-embodiment-und-koerperintelligenz/

Miteinander und voneinander lernen!

In diesem Blog finden Sie regelmäßig Infos und Tipps rund ums Lernen, Erziehung und Bildung. Wir freuen uns auch über Rückmeldung und eure Erfahrungen zu den jeweiligen Themen bzw. beantworten wir auch gerne Fragen unter www.ipi.co.at oder seinabalawieh@hotmail.de

Ab sofort: Dreistufiges Online-Coaching zum Thema „Kommunikation“

Zum Sonderpreis von € 150,00 plus 20% Mwst. für drei Online-Coaching-Stunden (a 45 Minuten) bekommen Sie eine Analyse Ihrer persönlichen Situation und einen Plan, den Sie im Alltag umsetzen und dazu. Zum Abschluss erfolgt eine gemeinsame Reflexion, Sie bekommen weitere Tipps und bei Bedarf können weitere Online-Coachings vereinbart werden.

Ablauf eines dreistufigen Coachings:

1. Coaching: Analyse Ihrer persönlichen Ausgangssituation und erste Tipps.

2. Coaching: Nach einer Woche Besprechung des individuell für Sie zusammen gestellten Umsetzungsplans und Leitfaden zur Umsetzung.

3. Coaching: Nach einem vereinbarten Zeitpunkt (frühestens nach drei Wochen) gemeinsame Reflexion der Umsetzung und Abschluss des Coachings bzw. bei Bedarf Vereinbarung weiterer Schritte. Wir gehen zum Abschluss gemeinsam den Fragen nach: Was war mein Ausgangspunkt? Was hat sich in der Praxis verändert und was ist jetzt anders? Was ist gelungen, was nicht? Wo brauche ich noch Unterstützung? Was möchte ich weiter intensivieren?

Schreiben Sie uns eine Mail office@ipi.co.at zur Terminvereinbarung für das Online-Coaching. Wir rufen Sie auch gerne an. Für das Coaching brauchen Sie nur ein Tablet mit Kamera und Mikrofon. Falls nicht vorhanden, sind auch telefonische Coachings möglich.

Kontaktformular: http://www.ipi.co.at/kontakt/