Jede Geschichte ist einzigartig. Je nachdem, wo man sie zu erzählen beginnt und aus welcher Perspektive, bekommt sie ihre individuelle Bedeutung. Die Interpretationen können unterschiedlichst sein. Nicht selten haben Sichtweisen und Bewertungen von Beobachtungen das Weltgeschehen beeinflusst. Jeder von uns kennt die Gedanken „Was wäre gewesen, wenn….“ – vielleicht ganz andere Geschichten, die geschrieben worden wären. Wer weiß.
Aus Geschichten über die großen aber auch kleinen Dinge des Lebens sind immer wieder kollektive Mythen und Legenden entstanden. So wie jene in christlichen Kreisen weit verbreitete Meinung, dass der Weihnachtsbaum seine Ursprünge in christlichen Riten und Traditionen habe. Als Kind war der Christbaum für mich untrennbar mit dem Christentum verknüpft. Denn nur wenige wissen heute noch, wie sich der immergrüne Baum zu einem fixen Bestandteil des Weihnachtsfestes entwickelt hat und dass er keineswegs immer ein christliches Symbol gewesen ist. Ganz im Gegenteil.
Eigentlich ist die Geschichte des Weihnachtsbaumes fast so alt wie die Geschichte der Menschheit. Die älteste schriftliche Erwähnung im europäischem Raum stammt aus dem Jahr 1527 aus einer Akte der Mainzer Herrscher in Stockstadt am Main. Ein paar Jahre später findet sich ein Eintrag in den Urkunden des Straßburger Münster, wo um die Weihnachtszeit ein geschmückter Baum aufgestellt worden war.
In Österreich wurde der erste Weihnachtsbaum, oder wie man in der Alpenrepublik und auch Teilen der Schweiz sagt, ein Christbaum, angeblich erstmals von der Gattin Erzherzog Karls, Henriette von Nassau-Weiburg, geschmückt. Auswanderer nahmen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Baum nach Amerika mit. Im Weißen Haus ist er 1891 zum ersten Mal urkundlich dokumentiert.
Die Ursprünge gehen aber weit vor dieser Zeit auf heidnische Bräuche zurück. Immergrüne Planzen waren für heidnische Kulturen Symbole der Fruchtbarkeit und der Lebenskraft. Deshalb wurden auch immer rund um die Wintersonnwende Tannenzeweige auf öffentlichen Plätzen verteilt und festlich geschmückt. Die Menschen zu dieser Zeit glaubten fest daran, dass sie sich damit Gesundheit ins Haus holen können.
Ähnliches erhofften bereits Jahrtausende vorher die alten Ägypter, Hebrärer und auch die Chinesen. Kränze, Girlanden aus immergrünen Pflanzen waren und sind für sie teilweise bis heute Sinnbild für das ewige Leben. Im Christentum war der Baum lange Zeit – bis zum zweiten Vatikanischen Konzil – Symbol für den Baum der Erkenntnis und den Sündenfall. In Norddeutschland wurde deshalb der Baum bis ins 19. Jahrhundert hinein mit Adam und Eva und Schlangensymbolen bzw. Äpfeln behängt.
In der katholischen Kirche und ihren religiösen Riten und Bräuchen ist der Baum erst im 20. Jahrhundert so richtig angekommen. Endgültig legitimiert wurde er als heute über weiter Strecken „christliches“ Symbol, als Papst Johannes Paul II den ersten Baum 1982 auf dem Petersplatz in Rom aufstellen ließ.
So viel zur überlieferten offiziellen Gschichte über den Baum, der jedes Jahr rund um den 24. Dezember rund um den Erdball mit seinem Lichterglanz nicht nur Kinderherzen höher schlagen lässt und heutzutage für viele der Inbegriff von Frieden und Freude ist – vom Weihnachtsfest nicht wegzudenken.
Wer gerne reist, und das auch rund um Weihnachten, lernt schnell, dass der Baum in unterschiedlichen Religionen und Kulturen regional sehr unterschiedliche Geschichten erzählt, auch in Ländern, in denen die Mehrheitsgesellschaft einer anderen Religion angehört. Der Reisende wird vielleicht immer wieder – so wie wir – staunen, wie weit verbreitet und intensiv das Brauchtum des Baumaufstellens in vielen Ländern dieser Erde gepflegt und von den Alten an die Jungen weitergegeben wird.
Zur Geschichte des Weihnachtsbaumes einige Exemplare zum Schauen und Staunen – bis auf Bild 2, Airporthotel in München, Bild 3, auf dem Ali, Yusef und Yana mit Leseoma und Leseopa Weihnachten feiern und Bild 4: der Weihnachts-Bär stand 2018 in der Weberzeile in Ried im Innkreis – alle in Südostasien fotografiert. Und zwar ausschließlich in Ländern entdeckt, die keine christlichen Mehrheiten haben und in denen die Menschen verschiedensten Religionen angehören.
In manchen Ländern dominiert der Budhhismus, in anderen, wie in Flores in Indonesien, der Islam und in wieder anderen der Hinduismus. Die Religion bestimmt dort in unterschiedlichsten Schattierungen und Ausprägungen den Lebensalltag. Jeder erfüllt seine religiösen Pflichten. Manche mehr, manche weniger, wie es halt ist in einer zunehmend globalisierten und säkularisierten Welt.
Gefeiert wird in der Regel von vielen Teilen der Bevölkerung aber sehr oft gemeinsam. Weil halt alle gerne feiern. Dass es in bestimmten Regionen der Welt, in denen Ab- und Ausgrenzung das Zusammenleben bestimmen, Ausnahmen gibt, versteht sich natürlich von selbst.
Bei Schreiben der Zeilen lädt gerade in der nicht weit entfernten Moschee einer kleinen Bergstadt auf Flores der Muezzin zum Gebet ein. Indonesien beispielsweise ist das bevölkerungsreichste muslimische Land der Erde, rund 85 Prozent der etwa 250 Millionen Einwohner gehören der muslimischen Religion an, obwohl diese nicht offizielle Staatsreligion ist. Hier gibt es nur den Grundsatz, dass jedes Kind, das zur Welt kommt, einer der fünf großen Weltreligionen angehören muss, welcher ist eigentlich egal. Und so gibt es auch das ganze Jahr über immer wieder etwas zu feiern. Und das tun alle sehr gern, egal was gerade gefeiert wird.
Eid al-Fitr, Nepy, Cinese New Year, Songkran, Weihnachten, Ostern und so weiter und so fort. Wer in Jakarta, der Hauptstadt des 17 500 Inseln zählenden Landes, zu Weihnachten landet, wird dort von wunderschön geschmückten Weihnachtsbäumen begrüßt und mit amerikanischer Weihnachtsmusik beschallt. Dasselbe Bild in Dubai, Singapur oder Bangkok.
Wer zu Chinese New Year kommt, findet sich unter tausenden roten Laternen und chinesischen Glücksbringern wieder und kann das Tier, das im neuen Jahr laut chinesischem Kalender verehrt wird, bestaunen und damit auf Tuchfühlung gehen – denn das bringt angeblich Glück. 2019 beginnt übrigens das Jahr des Schweines am 5. Februar. Die Symbole zu den einzelnen Festen stehen alle in Privaträumen der jeweiligen Communities aber auch in allen öffentlichen Räumen. Auf Flughäfen, in Schoppingcentern, in Lokalen, auf öffentlichen Plätzen, entlang der Straßen – und niemand scheint ein Problem damit zu haben. In diesem Sinne, Frohe Weihnachten 2018, Merry Christmas, Selamat Natal, Joyeux Noel, Felic Navidad, Buon Natale!