Gewaltfreie Kommunikation – Eine Sprache des Herzens!

Der „Erfinder“ der Gewaltfreien Kommunikation, Marshall B. Rosenberg, ist in einer Zeit der Rassenunruhen in den Vereinigten Staaten aufgewachsen. Schon als Jugendlicher hatte er bemerkt, dass viele Menschen eine Sprache sprechen, die bewertet, abwertet, vergleicht, anonymisiert und sich von Verantwortung distanziert. Als junger Erwachsener und angehender Wissenschaftler fasste er er das, was er hörte und beobachtete, in Anlehnung an den großen Lehrmeistern Mahatma Ghandi und Nelson Mandela in seinem Modell der Gewaltfreien Kommunikation zusammen. Die GFK, wie das Modell kurz genannt wird, ist heute weltweit anerkannten und wird in der Therapie, Pädagogik und in vielen Bereichen des Krisenmanagements angewandt.

Rosenberg sprach von „lebensentfremdender Kommunikation“, die mehr trennt als verbindet. Einer Kommunikation, die seiner Definition nach „entmenschlicht“ ist, sich auf das Analysieren beschränkt und in der die Sprache die Gefühle und Bedürfnisse der Sender und Empfänger nicht erreicht. Diese Sprache, die sehr häufig das, was wir beobachten mit unseren Bewertungen, Interpretationen und Urteilen vermischt, ist vor allem in Gesellschaften zu beobachten, die streng hierarchisch organisiert und von Gehorsam und Obrigkeitshörigkeit getragen sind. Ein Beispiel, das Rosenberg in seinen Seminaren und Publikationen immer wieder erwähnt, ist die Sprache der Nationalsozialisten, die mit ihrer „Amtssprache“ und einer großen Bereitschaft vieler Menschen zum Denunziantentum Menschenmassen zu manipulieren und zu ihren Zwecken zu missbrauchen wussten. Denn lebensentfremdende Sprache schafft keine mündigen Bürgerinnen und Bürger, sondern Befehlsempfänger und Sklaven, brachte es Rosenberg immer wieder auf den Punkt.

Sprache formt Gesellschaft!

Das heißt: Der Begründer der GFK, Marshall B. Rosenberg, hatte Zeit seines Lebens im Fokus, was Menschen verbindet. Und zwar auch dann, wenn dieses Verbindende nicht auf den ersten Blick erkennbar ist. Er merkte, dass er mit herkömmlichen Sprachmustern, in denen er sozialisiert worden war, seine eigenen Bedürfnisse nach Harmonie und Menschlichkeit nicht verwirklichen konnte. Und er suchte nach einem Weg bzw. einer Sprache, die ihm das ermöglicht. Sein Anliegen war, die Menschlichkeit und Schönheit in jedem zu sehen. Dabei beschäftigten den weltweit anerkannten Konflikt-Mediator drei zentrale Fragen:

Eine entscheidende Rolle, so hat er, wie eingangs bereits beschrieben, herausgefunden, spielt dabei die Sprache, die wir verwenden. In Gesellschaften, die eher in Bedürfnissen denken und sprechen, gibt es weniger Gewaltbereitschaft und Verurteilungen als in jenen, die in Kategorien von Bewertungen und Urteilen denken und handeln. Das ist wissnecshftlich nachgewiesen und zeigt sich beim genauem Hinschauen auch immer wieder in unserem Alltag. Ein schönes Beispiel dafür aus der unmittelbaren Gegenwart war die Reaktion der Eltern und Verwandten sowie des gesellschaftlichen Umfeldes der zwölf Jugendlichen, die im Sommer 2018 mit ihrem Trainer, der die Warnhinweise ignoriert und die Jungs in die Höhle geführt hatte, fast zwei Wochen in einer Höhle in Thailand eingeschlossen waren. Nach der geglückten Rettung wurde der Trainer fast als Held gefeiert. Keiner der Eltern, die tagelang um das Leben ihrer Kinder bangen hatten müssen, machte öffentlich Vorwürfe, einige nahmen den Trainer in Interviews sogar vor den Journalisten in Schutz. Nicht mal zwei Wochen nach der Rettung wurde ihm und zwei Jungs, die bis zu dem Unglück als Staatenlose in Thailand gelebt hatten, die thailändische Staatsbürgerschaft verliehen. In Europa hätten ihm aufgebrachte Eltern, aber auch die Justiz vermutlich das Leben zu Hölle gemacht.

Kritik und Urteile sind Zeichen lebensentfremdender Sprachen!

Lebensentfremdende Kommunikation zeichnet sich häufig durch moralische Urteile über andere aus. Immer dann, wenn der andere unsere Wertvorstellungen nicht mitträgt oder sich anders verhält, als wir das tun, beginnen wir zu kritisieren, zu vergleichen, zu bewerten, zu prognostizieren und sagen damit dem/der anderen, was mit ihm oder ihr nicht stimmt. Das klingt dann zum Beispiel so:: Das Problem mit dir ist … Sie ist faul, gemein, dumm … Er ist ein Idiot, ein Chaot … Sie ist überheblich, besserwisserisch … Er ist bequem, schlampig …Ohne viel nachzudenken fallen uns dazu mit Sicherheit unzählige weitere Formulierungen ein, die wir tagtäglich hören und auch verwenden.

Vor kurzem habe ich im Bayrischen Rundfunk zwei Beispiele gehört, die diese Form der Kommunikation und Abwertung gut verdeutlichen. Das hat mich auch in meiner Beobachtung und Annahme bestärkt hat, dass wir mehr denn je diese lebensentfremdende Sprache von Kind an lernen, verinnerlichen und ein Leben lang benutzen und perfektionieren. So sagte eine Mutter in einem Supermarkt zum störrischen Kind: „Wenn du nicht gehorchst, wirst du, so wie der Mann da drüben, hinter der Fleischer-Theke landen!“ Hier zeigt sich, was die Frau vom Beruf Fleischer hält und dass sie – in dieser Situation, die wirklich geschehen ist – nicht wirklich empathisch und einfühlsam reagieren kann. Sonst würde sie den Mann vor anderen Konsumenten und ihrem eigenen Kind nicht derart abwerten und verletzen. Das zweite Beispiel stammt ebenfalls aus einem bundesdeutschen Haushalt. Als der kleine Bub zum Bauarbeiter, der in die Wohnung zur Reparatur kommt, guten Morgen sagt, meint seine Mutter: „Den brauchst du nicht grüßen. Das ist nur ein Arbeiter!“ 

Gewaltfrei kommunizieren heißt Verantwortung übernehmen!

Wir analysieren, bewerten, stellen uns über andere oder definieren permanent verschiedenste Formen des Fehlverhaltens anderer und schüren gleichzeitig Angst, Schuldgefühle und Scham. Wer hat den Satz nicht schon einmal gehört: „Mama ist traurig, wenn du schlechte Noten schreibst.“ Wenn der andere aus dieser Not heraus auf unsere Wünsche eingeht, führt dies über kurz oder lang zu Entfremdung. Besonders fatal aber gerade dort häufig anzutreffen passiert dies in uns wichtigen emotionalen Beziehungen. Irgendwann stellt sich beim Gegenüber Widerwille ein, der Selbstwert sinkt und die Person entfernt sich emotional von uns. Wir stellen Vergleiche an und leugnen Verantwortung für unsere Gedanken und unser Tun. Ein solches Zauberwörtchen dazu ist das Wort „müssen“. Die Beispiele kommen vielen vielleicht auch wieder bekannt vor: „Ich muss das tun, weil mein Vater das anschafft … Ich muss das erledigen, weil die Gesellschaft das von meiner Rolle als Mutter erwartet … Ich muss das so machen, weil das Gesetz es so will … Ich muss das erledigen und habe keine Wahl, weil mein Chef das so vorgibt … und so weiter und so fort.

Gerne verstecken wir uns hinter Autoritäten, Befehlen von „oben“, dem Diktat der Gruppe, den Vorgaben durch Gesetze und Politik oder auch den gesellschaftlichen, vordefinierten Rollen (als Vater, als Lehrer, als Chefin und Chef …). In Nazideutschland wurde, wie bereits erwähnt, dafür eine eigene Sprache kreiert, nämlich die Amtssprache, mit der die Kommandanten und Offiziere ihre Gräueltaten tagtäglich legitimierten. Die Haltung dahinter – nicht ich bin schuld, sondern eine Autorität, die mir die Handlung vorgibt – war übrigens weit in die Gegenwart hinein spürbar und ist es teilweise heute noch, nämlich dann, wenn um die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen geht. 

Gewaltfreie Kommunikation – Eine Sprache des Herzens!

Die GFK als Sprache des Herzens – man nennt sie auch Giraffensprache, weil die Giraffe ein Landtier mit sehr großem Herzen ist – hilft uns, mit unserem einfühlsamen Wesen wieder in Kontakt zu kommen und das auch zu bleiben. Sie hilft selbst unter herausfordernden Bedingungen und Umständen menschlich zu bleiben. Die Idee bzw. die Haltung dahinter ist so alt wie die Menschheit selbst. Mit der GFK können wir eine Lebensweise wiederentdecken, die dem Menschsein tatsächlich entspricht, von der uns der heute übliche Sprachgebrauch aber massiv abhält. Wahrzunehmen, ohne zu bewerten, zu fühlen und Bedürfnisse zu entdecken und zu formulieren sowie respektvoller Umgang mit dem anderen, dem wir ebenfalls diese Eigenschaften zugestehen, sind ureigenste menschliche Bedürfnisse, deren Erfüllung uns zufriedener und glücklicher macht. Dazu ist es wichtig, genau zu beobachten und daraus das Gefühl und das Bedürfnis zu formulieren, das, was wir tatsächlich brauchen, um in Balance zu sein und uns wohl zu fühlen.

Die GFK ermöglicht intensives Zuhören nach innen und nach außen und hilft, das Potential unseres Einfühlungsvermögens, das jeder und jede in sich trägt, zu entdecken und zu nutzen. Zentral dabei entwickelt sich der Wunsch nach gegenseitigem Geben und Nehmen. Der Kommunikationsfluss bewegt sich dabei ständig hin und her. Ich beobachte, beschreibe mein Gefühl, das Bedürfnis dazu und den Wunsch bzw. meine Bitte und habe gleichzeitig das Gefühl meines Gegenübers im Blick und das, was er oder sie braucht, um sich wohl zu fühlen. Den Idealzustand erreichen wir dann, wenn sich das Gefühl der Synchronisation einstellt.

Gewaltfreie Kommunikation ist eine Haltung!

Die GFK ist dabei mehr als ein Kommunikations-Modell. Sie ist vielmehr eine Haltung und ein Prozess, der uns nährt und uns an der richtigen Stelle das finden lässt, wonach wir sehr oft suchen. Meist irren wir ziel- und planlos umher. So wie der etwas beschwipste Mann in einer Anekdote macht, der im Schein einer Laterne seine verlorenen Autoschlüssel sucht. Als ihn ein zufällig vorbeikommender Polizist danach fragt, was er denn hier suche, erzählt er diesem, dass er seine Autoschlüssel verloren habe. Auf die Nachfrage des Ordnungshüters, ob das denn hier an dieser Stelle gewesen sei, antwortet der Mann: „Nein, aber hier ist es heller zum Suchen!“

Wesentlich beim Training der GFK sind nicht das Modell an sich und die Worte in unserer Kommunikation, sondern dass wir die Prinzipien in unserem Bewusstsein verankern. Beobachte, ohne zu bewerten, benenne dein Gefühl, das dabei entsteht. Benenne das Bedürfnis, das hinter deinem Gefühl liegt, und formuliere eine Bitte, die dein Gegenüber erfüllen oder auch ablehnen kann. Die Entscheidung liegt beim Kommunikationspartner. Sie ist, auch wenn es schwer fällt, ohne Groll zu akzeptieren. Wer das Modell verinnerlicht hat, braucht keine Worte mehr, um diese Dinge auszudrücken. Er oder sie ist in seiner bzw. ihrer Mitte angekommen. Sich dabei selbst ernst nehmen, den anderen ernst nehmen und die Sache ernst nehmen – kommt uns vielleicht auch bekannt vor? Ruth Cohn hat diesen Ansatz, der der Gewaltfreien Kommunikation zugrunde liegt, in ihrem Modell der Themenzentrierten Interaktion (TZI) bereits in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zusammengefasst und mehrere Generationen von Beratern und Pädagogen wenden dies seit damals an. Die Grundideen der GFK sind auch im Bohm‘schen Dialog, der in den 80-er Jahren des 20. Jahrhunderts vom Quantenphysiker David Bohm und dem Philosophen Martin Buber entwickelt wurde, enthalten. Darüber mehr in den nächsten Kommunikations-Tipps-Beiträgen.

Tipps

LITERATUR

Im ipi-Shop finden Sie dazu „Die Giraffensprache. Ein Lern- und Lehrbuch“, ergänzende Materialien zur Giraffensprache zum Einsatz im Unterricht und in der Seminaristik und das Kinderbuch „Yana, Paul und die Giraffensprache“ https://www.ipi.co.at/ipi-shop/

INFO-BLÄTTER

LINKS

Auf der Youtube Playlist unter „Marshall B. Rosenberg: Gewaltfreie Kommunikation“ finden Sie interessante Videos vom „Meister der GFK“ und erhalten dort gute philosophische Einblicke und praktische Anwendungstipps https://www.youtube.com/playlist?list=PLK9GVsBflJ4Q1y2uaVsMmHB1QPj3Kd-br

Miteinander und voneinander lernen!

In diesem Blog finden Sie regelmäßig Infos und Tipps rund um die Themen Kommunikation, Lernen, Erziehung und Bildung. Wir freuen uns auch über Rückmeldung und eure Erfahrungen zu den jeweiligen Themen bzw. beantworten wir auch gerne Fragen unter www.ipi.co.at oder seinabalawieh@hotmail.de

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3. Coaching: Nach einem vereinbarten Zeitpunkt (frühestens nach drei Wochen) gemeinsame Reflexion der Umsetzung und Abschluss des Coachings bzw. bei Bedarf Vereinbarung weiterer Schritte. Wir gehen zum Abschluss gemeinsam den Fragen nach: Was war mein Ausgangspunkt? Was hat sich in der Praxis verändert und was ist jetzt anders? Was ist gelungen, was nicht? Wo brauche ich noch Unterstützung? Was möchte ich weiter intensivieren?

Schreiben Sie uns eine Mail office@ipi.co.at zur Terminvereinbarung für das Online-Coaching. Wir rufen Sie auch gerne an. Für das Coaching brauchen Sie nur ein Tablet mit Kamera und Mikrofon. Falls nicht vorhanden, sind auch telefonische Coachings möglich.

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