Die Angst hindert uns am Reden.
Das kennen wir alle. Wir haben uns bestens vorbereitet. Die Kleidung sorgfältig ausgewählt, auf dem Weg in die Besprechung noch kurz die Stimme trainiert. Die Präsentation ist hundert mal überprüft, damit alles passt und perfekt ablaufen kann. Je näher wir dem Vortragraum kommen, je unmittelbarer der Zeitpunkt unseres öffentlichen Auftritts wird, umso nervöser werden wir. Wir beginnen zu zittern oder rumzuzappeln, die Hände sind eiskalt oder verschwitzt, der Körper angespannt, das Gesicht krebsrot oder käseweiß.
Der Mund ist ausgetrocknet. Der Hals kratzt. Die Kehle fühlt sich zugeschnürt an. Wir haben das Gefühl, keinen Ton herauszubringen. Der eingeübte Satz, vielleicht auch ein Scherz, zum Start des Meetings ist uns entfallen. Die gesamte gute Vorbereitung scheinbar dahin. Am liebsten würden wir in so einem Moment davonlaufen. Weg von den Menschen, die da vor uns sitzen und gespannt auf unsere Präsentation warten. Egal, ob das Mitarbeiter sind, Kunden oder Gäste einer Tagung. Aber: Jetzt heißt es, sitzen bleiben, gute Mine zum bösen Spiel machen und durchhalten. Es klappt dann trotzdem irgendwie, dass wir ins Tun kommen. Doch die heisere, viel zu hohe und schrille Stimme hört sich für uns fremd und unangenehm an und wir fühlen uns sehr unwohl und wieder mal gescheitert.
Was macht die Angst mit unserem Körper?
Unsere Sinnesorgane nehmen beispielsweise beim Betreten eines Vortragsraumes, so wie in der oben beschrieben Situation, wahr, dass da sehr viele Menschen im Raum sitzen. Einige plaudern miteinander. Andere checken das Handy, manche schauen beim Fenster raus oder putzen sich gerade die Brille oder auch die Nase. Beim Betreten des Raumes durch den Vortragenden wird es plötzlich still. Alle nehmen ihren Platz ein, schauen in Ihre Richtung und warten gespannt, was als nächstes passiert. Gleichzeitig nimmt unsere Nase verschiedenste Düfte wahr, vielleicht auch, dass es stickig ist im Raum und dass eigentlich gelüftet werden müsste.
Unser schneller Scan der Rahmenbedingungen erhöht die Panik: Die Lichtverhältnisse sind nicht ideal und wir haben einen Platz in Richtung Fenster und werden durch das Sonnenlicht draußen geblendet. Diese und noch viele andere Wahrnehmungen werden innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde an das Gehirn weiter geleitet. Dieses gleicht – außer in besonderen Gefahrensituationen, in denen keine Zeit dafür bleibt – mit Erfahrungswerten aus der Vergangenheit ab und signalisiert: unangenehme Situation, Gefahr in Verzug! Gleichzeitig veranlassen der Hypocampus und die Amygdala (Mandelkern) im limbischen System erste Körperreaktionen.
Der Körper reagiert auf Angstauslöser.
Der Hypotalamus aktiviert über die Nervenbahnen das Nebennierenmark zur Ausschüttung der Stresshormone (Adrenalin, Noradrenalin, Kortisol, Kortison). Sympathisches und parasympathisches Nervensystem werden aktiv, je nachdem, welcher Typ Sie sind. Das sympathische Nervensystem bereitet den Körper auf Kampf oder Flucht vor: der Herzschlag erhöht sich, der Blutdruck steigt. Die Skelettmuskeln werden stärker durchblutet, da jetzt Kampf oder Flucht angesagt sind.
Das hat vielen unserer Vorfahren, die noch als Jäger und Sammler gelebt haben, das Leben gerettet. Uns macht es in einer Vortragssituation das Leben eher schwer. Zeitgleich wird nämlich auch vorbeugend unser Blut dicker, da es möglicherweise Verletzungen geben kann. Blutzuckerspiegel und Cholesterin (Blutfettwerte) steigen. Der Stoffwechsel wird beschleunigt. Die Körpertemperatur im Inneren steigt, auf der Körperaußenseite bildet sich kalter Schweiß. Wir sind hellwach und bereit, zu kämpfen oder zu fliehen.
Normalzustand nach den ersten Angst-Minuten.
In der Regel haben wir uns bei öffentlichen Auftritten nach wenigen Minuten an diese Situation gewöhnt und das parasympathische Nervensystem bringt unseren Körper langsam wieder in den Normalzustand. Das ist auch der Grund dafür, warum wir nach Anfangs-Angst und Nervosität oft nach ein paar Minuten gut reinkommen in einen Auftritt. Unsere Atmung verändert sich. Der Herzschlag verlangsamt sich, der Blutdruck sinkt. Das Blut verdünnt sich wieder, die Skelettmuskeln entspannen. Wir atmen langsamer und der Speichelfluss kommt wieder in Gang – das Gefühl des ausgetrockneten Mundes ist weg und wir beginnen zu schwitzen, da die Körpertemperatur im Inneren abnimmt und die Hitze über die Haut ausgeleitet wird. Bei Menschen, die durch Starre wie gelähmt sind, löst sich ebenfalls die Anspannung und die Körperfunktionen gelangen wieder langsam in den „Normalzustand“.
Auf den Typ kommt es an!
Je nachdem, welcher Typ wir nun sind – ein Flucht- und Kampf-Typ oder eher der Schreck-Typ – geht unser Körper unterschiedlich mit Stress und Angst um. Bei Kampf-Typen übernimmt, wie gesagt, in der Regel das sympathische Nervensystem die Regie. Wenn Sie eher dazu neigen, in der Angst zu erstarren und dann vollkommen gelähmt und antriebslos werden, dann hat das parasympathische Nervensystem die Oberhand. Der Blutdruck sinkt, Sie beginnen zu schwitzen, haben ein hochrotes Gesicht und fühlen sich schwach und antriebslos, einer Ohnmacht nahe. Oft hilft nur mehr der rasche Gang zur Toilette. Sind beide Systeme gleichzeitig aktiv, führt das nach kurzer Zeit zu Erschöpfung, da noch wesentlich mehr Energie für die Aufrechterhaltung aller Körperfunktionen verbraucht wird.
Lampenfieber oder Angstneurose?
Zu welchem Typen wir gehören, wird in der Medizin zum einen der genetischen Veranlagung zugeschrieben, kann bis zu einem Teil aber auch durch Sozialisation und Erfahrungen im persönlichen Umfeld geprägt sein. So lange diese Reaktionen in einem verträglichen Rahmen sind, sprechen wir von Lampenfieber. Und Lampenfieber hat vor einem Auftritt vor Gruppen oder Publikum jeder. Auch große Stars gestehen sich dieses Lampenfieber vor ihren Auftritten zu und manchmal sogar öffentlich ein. Lampenfieber ist zu einem guten Stück sogar hilfreich und wichtig, da es unsere Sinne und auch die Konzentration und Aufmerksamkeit schärft. Erst wenn wir aus dieser Angstsituation nicht mehr herauskommen oder diese sogar in Panik und Panik-Attacken umschlägt, ist professionelle Hilfe in Form von Psycho-Therapie oder psychologischer Beratung und Betreuung erforderlich. Ansonsten reicht die Arbeit mit einem professionellen Coach oder auch regelmäßiges Eigenstudium und Training der Resilienz.
Umgang mit Angst.
Angst kann man nicht einfach wegschieben und auflösen, aber man kann sie in die richtige Relation zur tatsächlichen Situation bringen. Angst ist sehr persönlich und muss ernst und angenommen werden. Sie muss bewusst wahrgenommen werden und darf auch Platz in unserem Leben haben. Manchmal schützt uns dieser Naturinstinkt vor schlimmen Folgen. Wenn die Angst zu groß wird, ist sie aber lähmend, kann uns krank machen und kann vor allem in der Erziehung auch negative Entwicklungen des Kindes beeinflussen. Angststörungen müssen auf alle Fälle therapeutisch behandelt werden. Mit den „normalen“ Ängsten in unserem Alltag kann man auch in regelmäßigen Selbst-Training besser umgehen lernen.
Hilfreich ist, wenn wir spüren, dass uns die Angst wieder zu überkommen und zu lähmen droht, den „Schalter umzulegen“ und „Stopp“ sagen. Und dann hilft es, eine Übung – das heißt, eine Zeitspanne wischen Reiz und Reaktion – einzulegen, um unser Nervenkostüm zu beruhigen. Es gibt unterschiedlichste Methoden dazu. Wichtig ist, diese Übungen im Vorfeld immer wieder zu trainieren und sie im Notfall schnell parat zu haben.
Regelmäßig Trainieren!
Je einfacher und unkomplizierter diese sind, umso schneller können wir sie durchführen und uns selbst wieder stärken. Wenn es kurze Übungen sind, für die man keine Ausrüstung braucht, ist dies von Vorteil, da diese rasch an jedem beliebigen Ort durchgeführt werden können. Egal, ob man kurz vor dem Auftritt noch im Auto oder Zug sitzt, einen ungestörten Raum am Veranstaltungsort dafür zur Verfügung hat, das Büro dafür nutzt oder schnell noch einmal auf die Toilette entschwindet.
Zur Entspannung eignen sich vor allem kurze Atemübungen, die wir bereits in anderen Kommunikationstipps (siehe dazu Tipp 1-8 https://www.ipi.co.at/thema/kommunikation/) kennen gelernt haben oder auch Entspannungstechniken wie Dien Cham https://www.ipi.co.at/home-school-8-tipps-zur-entspannung-fuer-die-ganze-familie/. Ebenso die progressive Muskelentspannung, die an jedem Ort durchgeführt werden kann https://www.ipi.co.at/home-school-7-tipps-achtsamkeit-und-koerperintelligenz/.
Energie-Gähnen
Das Energie-Gähnen – eine Brain Gym Übung – beispielsweise hilft, die Gesichtsmuskeln zu entspannen und gleichzeitig auch noch locker zu werden und die Stimme zu stärken. Dazu die Fingerspitzen auf beiden Gesichtshälften auf das Kiefergelenk legen und die Punkte rund um das Gelenk nach unten ausstreichen. In der regeln beginnen wir dann automatisch zu gähnen, wer zu verspannt dazu ist, kann das Gähnen bewusst ausführen. Wir verbessern dadurch unsere visuelle Aufmerksamkeit und die Wahrnehmung sowie die Konzentration auf das Wesentliche. Stärken unsere Sinneswahrnehmung, lockern die Gesichtsmuskeln und führen dem Körper mehr Sauerstoff zu.
Waden-Pumpe
Die Waden-Pumpe hilft, den Sprachfluss zu verbessern, Lese- und Hörverständnis zu schärfen, die Aufmerksamkeitsspanne zu erhöhen, macht uns kreativer und wendiger. Dazu am besten mit den Händen an einem Tisch oder der Wand abstützen, mit dem rechten Bein einen leichten Ausfallschritt nach hinten machen und beim Ausatmen die Ferse Richtung Boden drücken. Nach zehn Wiederholungen das Bein wechseln und die Übung mit dem linken Bein zehnmal wiederholen. Die Übung gelingt auch im Sitzen und kann somit auch zwischendurch gemacht werden, ohne dass andere dies bemerken. Wir pumpen mit dieser Übung Blut Richtung Herzen und lockern auch die Wadenmuskulatur, die in Stresssituationen automatisch extrem angespannt ist (Körper bereitet sich auf Flucht vor :-)).
Hook-ups
Mit den Hook-ups können wir durch die Bewegung über die Mittellinie unser Gehirn aktivieren und die beiden Gehirnhälften wieder in Kommunikation miteinander bringen. Dadurch steigert sich die Aufmerksamkeit, wir sind mehr geerdet, atmen tiefer und bewusster, sind im Gleichgewicht und können uns besser selbst kontrollieren, besser zuhören und deutlicher sprechen. Auch diese Übung kann im Sitzen oder stehen durchgeführt werden. Dazu den rechten Fußknöchel über den linken legen. Die Arme gerade nach vorne strecken und die linke Hand über die rechte legen, dann die Handinnenflächen aneinander legen und die Finger ineinander verschränken.
Die Arme in Richtung Oberkörper/Brustkorb umklappen und tief atmen. Mehrmals tief atmen – durch die Nase ein, den Mund ausatmen. Die Verschränkungen auflösen und dann die Übungen mit dem linken Fußknöchel über den rechten durchführen. Die Arme nach vorne und die rechte Hand über die linke legen und die Übung wie zuvor durchführen. Die Verschränkung wieder auflösen und anschließend die Hände in der Körpermitte zusammenführen und die Handinnenflächen aufeinander legen. Die Beine gut gestreckt mit leichtem Abstand zwischen den Fersen, die Zehen gerade nach vorne gerichtet, geerdet nebeneinander auf dem Boden spüren. Mehrmals tief atmen – durch die Nase ein- und durch den Mund ausatmen.
Hilfreich zur raschen Entspannung und zum Angst-Abbau ist auch die Angst-Ballon-Atem-Übung, die Sie hier finden:
Links und Literaturtipps
- Beispiele für Brain Gym Übungen https://www.youtube.com/watch?v=1C1OBuf1tMM
- Dennison, Paul E./Dennison Gail E. (2013), Brain Gym, Das Handbuch, 2. Auflage
- Riemann, Fritz (2019), Grundformen der Angst, 45. Auflage
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Ablauf eines dreistufigen Coachings:
1. Coaching: Analyse Ihrer persönlichen Ausgangssituation und erste Tipps.
2. Coaching: Nach einer Woche Besprechung des individuell für Sie zusammen gestellten Umsetzungsplans und Leitfaden zur Umsetzung.
3. Coaching: Nach einem vereinbarten Zeitpunkt (frühestens nach drei Wochen) gemeinsame Reflexion der Umsetzung und Abschluss des Coachings bzw. bei Bedarf Vereinbarung weiterer Schritte. Wir gehen zum Abschluss gemeinsam den Fragen nach: Was war mein Ausgangspunkt? Was hat sich in der Praxis verändert und was ist jetzt anders? Was ist gelungen, was nicht? Wo brauche ich noch Unterstützung? Was möchte ich weiter intensivieren?
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Miteinander und voneinander lernen!
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